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Motivation in Organisationen erhöhen – durch Bedürfnisorientierung

  • Fiete Brunk
  • 30. Juli
  • 5 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 31. Juli


Viele Organisationen verhalten sich so, als wüssten sie nicht, dass sie Menschen haben.

In einer Halle sind Menschen, die gemeinsam arbeiten

Dabei sind sie der Schlüssel: Ohne Mensch, keine Organisation.

Wer aufhört, gegen das Mensch-Sein zu gestalten, beginnt wirksam zu führen. Darum geht es bei einem bedürfnisorientierten "Betriebssystem" der Organisation.


In einer Arbeitswelt, die von Komplexität, Veränderungsdruck und wachsender Unsicherheit geprägt ist, ist ein menschenzentrierter Zugang zu Motivation essenziell. Denn letztlich kann eine Organisation am besten mit diesen Dingen umgehen, wenn das volle Potential der Organisation und somit der Menschen entfaltet wird.


Einen solchen Zugang bietet zum Beispiel die Selbstbestimmungstheorie (Self-Determination Theory, SDT), die von Edward Deci und Richard Ryan an der Rochester University seit den 1970ern entwickelt wurde.

Diese Theorie besagt: Durch die Erfüllung von drei psychologischen GrundbedürfnissenAutonomie, Kompetenz und soziale Eingebundenheit — sind wir Menschen ganz automatisch, intrinsisch motiviert. Und dadurch auch kreativer, lösungsorientierter, effizienter. Was will man mehr?!


Die Theorie wurde in über 100 Ländern repliziert und ist vielfach belegt in Schulen, Unternehmen, Kliniken und NGOs. Somit kann man sagen, diese drei psychologischen Grundbedürfnisse sind universell gültig. Richtig krass, denn eine Seltenheit in der Psychologie. Umso wichtiger, dass wir es in unserem Organisationsdesign mitdenken.


Selbstbestimmungstheorie nach Deci & Ryan: Die Qualität unserer Motivation – und mit ihr Kreativität, Problemlösefähigkeit, Durchhaltevermögen, Wohlbefinden und psychologisches Wachstum – hängt von drei psychologischen Grundbedürfnissen ab: Autonomie, soziale Eingebundenheit, und Kompetenz


Autonomie


Worum geht es?

Autonomie ist das Bedürfnis, selbstbestimmt handeln und Entscheidungen treffen zu können, die mit den eigenen Werten und Zielen übereinstimmen. Es geht nicht notwendigerweise um kompletter Unabhängigkeit oder Regelfreiheit. Sondern es geht darum, innere Freiwilligkeit zu erfahren. Auch dann, wenn man äußeren Vorgaben folgt.


Ein Beispiel:

Eine Mitarbeiterin kann ihre Arbeitszeit flexibel gestalten, solange sie festgesetzte Ziele erreicht und zu bestimmtem Zeiten erreichbar ist. Diese Rahmen möchte sie auch einhalten. Sie entscheidet selbst, wann und wo sie konzentriert arbeitet. Der Rahmen ist vorgegeben, aber sie erlebt in ihrer Freiwilligkeit und der Möglichkeit selbstbestimmt handeln zu können.


Wie lässt es sich umsetzen?

The Loop Approach® hat in seinem Framework super Elemente dazu. Es geht darum, eigene Entscheidungsspielräume zu etablieren, Eigenverantwortung zu ermöglichen, Verantwortung zu verteilen. Dazu hilft ungemein, Klarheit als Team zu haben. Nicht nur zu Aufgaben und Rollen. Sondern auch zum geteilten, höher gesteckten Zweck des Teams und der Organisation – also der Frage, wozu wir das alles eigentlich tun. Ein klarer, getragener Zweck bzw. Purpose hilft dabei, Autonomie zu rahmen: Er gibt Richtung, ohne Kontrolle auszuüben. Und macht deutlich, wie die individuellen Rollen zur Gesamtwirkung beitragen. So beugen wir auch sowas vor wie, „das geht nicht, denn dann macht ja jede*r, was sie/er will“.


Nächster Schritt: spannungsbasiertes Arbeiten. Die zentrale Frage dabei ist, dass Mitarbeitende lernen zu erkennen, was sie brauchen. Und dass im Team bzw. der Organisation die Möglichkeit besteht, dies auch ansprechen und einbringen zu können. Allein, in der Beziehung, in der Struktur, oder im Operativen. Wer eigene Spannungen einbringen kann und nicht strukturell verhindert wird, diese konstruktiv zu bearbeiten, erfährt Selbstwirksamkeit. Entscheidung, wo Energie ist. Verantwortung, wo Resonanz entsteht.




Soziale Eingebundenheit


Worum geht es?

Soziale Eingebundenheit ist das Bedürfnis, sich durch Beziehungen zu anderen Menschen verbunden und zugehörig zu fühlen und soziale Unterstützung zu erfahren. Dabei zählt nicht nur was andere für uns bedeuten, sondern auch, was wir für andere bedeuten.


Ein Beispiel:

Ein jüngeres Teammitglied stellt eine unbequeme Frage, die das Bisherige in Frage stellt. Es wird einladend, konstruktiv über mögliche Anpassungen gesprochen. Bei anderer Gelegenheit tauschen sich das Teammitglied und die Führungskraft offen über den Umgang mit der Situation aus.


Wie lässt es sich umsetzen?

Das Bedürfnis kann erfüllt werden, wenn Menschen sich gesehen, gehört und sicher fühlen. Ein zentraler Begriff dafür ist psychologische Sicherheit.


Das BRAVING-Modell von Brené Brown hilft, Vertrauen im Team besprechbar zu machen:

Boundaries: Das Setzen und Wahren von Grenzen. Was ist OK und was nicht, und warum?

Reliability: Zuverlässigkeit dadurch, dass man tut was man sagt, und Verhalten nicht (zu) impulsiv oder gar explosiv ist. Dazu gehört, seine Kompetenzen, Kapazitäten und Prioritäten zu kennen.

Accountability: Man steht zu seinen Erfolgen wie Missgeschicken und nimmt Wiedergutmachung eigenverantwortlich in die Hand: Verantwortlichkeit.

Vault: (zu Deutsch Tresor) Information und Erlebnisse werden vertraulich behandelt.

Integrity: Integrität dadurch, dass man so verhält, dass es seinen Werten entspricht. Man entscheidet sich für Mut und das, was richtig ist, statt bequeme, schnelle, und/oder einfache Auswege zu finden.

Nonjudgement: Urteilsfreiheit durch Neugierde, und insbesondere auch dadurch, dass wir einander offen um Hilfe bitten können, und Gefühle Platz haben dürfen.

Generosity: Wird gelebt, durch großzügige Annahmen über das Gegenüber,


Vertrauen ist in dem Sinne kein Gefühl, es ist eine Praktik. Es lohnt sich, alle Aspekte im Team zu besprechen und in den jeweiligen Kontext des Arbeitsalltags zu übersetzen. Zum Beispiel, was wann wie vertraulich behandelt werden soll oder wie Grißzügigkeit gelebt werden kann.


Ein weiterer Hebel ist der strukturierte Dialog über Spannungen, Impulse und Konflikte. Es geht ja nicht nur um passive Zugehörigkeit, sondern um aktive Wechselwirkung und Einbringung. Wenn Teams gemeinsam reflektieren, was nicht (mehr) passt und was entstehen möchte, entsteht Eingebundenheit. Nicht durch Gleichheit, sondern durch gemeinsam getragene Unterschiede. Dafür braucht es auch wieder die Mischung aus Fähigkeiten und Struktur. Klärt gemeinsam im Team: Wann und wie bringt ihr eure Spannungen ein? Was ist der passende zeitliche und räumliche Rahmen dafür? Und wie wird die Gemeinschaft dabei involviert? Eingebundenheit wird dadurch nicht zur Pflicht, sondern zur gelebten Praxis.



Kompetenz


Worum geht es?

Kompetenz ist das Bedürfnis, sich fähig und wirksam zu erleben. Es geht darum, auf bedeutsame Dinge einwirken und Aufgaben erfolgreich bewältigen zu können. Dazu gehört, unsere menschliche Freude zu lernen entfalten zu können


Ein Beispiel:

Ein Teammitglied übernimmt im neuen Projekt die Koordination, weil es seine organisatorischen Stärken kennt und einbringen kann, nicht weil es die dienstälteste Person ist. Im Laufe des Projekts probiert sie neue Tools zur Zusammenarbeit aus, reflektiert regelmäßig das eigene Vorgehen und bittet aktiv um Feedback. So entsteht Lernen nicht nebenbei, sondern wird Teil des Rollenverständnisses.


Wie lässt es sich umsetzen?

Es geht sowohl darum, neue Kompetenzen zu entwickeln, als auch vorhandene Kompetenzen wirksam nutzen zu können. Für Letzteres hilft der Ansatz aus der positiven Psychologie, auf Stärken zu fokussieren, und auch entsprechend Rollen stärkenbasiert zu verteilen. (Auch dies eine Praktik des Loop Approach.) Statt Aufgaben nach Funktion oder Historie zu verteilen, werden individuelle Stärken und Potenziale sichtbar gemacht und bewusst in Rollen übersetzt. Das ist nicht nur wertschätzend, sondern entfaltet in der Praxis oft ungeahnte Energie.


Im Sinne des lebenslangen Lernens, wir erinnern uns an die Neuplastizität des Gehirns, braucht es für das Kompetenzbedürfnis auch strukturell verankerte Lernformate. Prozesse für Feedback- und Anpassungsschleifen, Weiterbildungsmöglichkeiten, Peer-to-Peer Coaching, Mentoring, Fallberatung… Die Möglichkeiten sind endlos. Konzepte wie Growth Mindset (Carol Dweck) und Emotional Agility (Susan David) schaffen eine gute Grundlage fürs gemeinsame Lernen. Kompetent ist nicht, wer alles weiß, sondern wer sich stetig weiterentwickelt.


Growth Mindset (Carol Dweck)

In vielen Kontexten erforscht: Fähigkeiten sind nicht festgelegt, sondern entwickelbar. Und zwar bis zum Lebensende. Das Growth Mindset bedeutet, dies anzuerkennen und als Haltung zu leben. Fehler werden als Lernchance gesehen, Entwicklung als Prozess, Feedback als Möglichkeit. Netterweise ist auch das Growth Mindset nicht angeboren, sondern kann entwickelt werden.

Emotional Agility (Susan David)

Emotionale Agilität meint die Fähigkeit, mit Gedanken und Gefühlen bewusst und beweglich umzugehen. Zu oft werden Emotionen ignoriert und verdrängt. Forschung zeigt, dass diese dadurch nicht verschwinden, sondern zu sowas wie explodierende Wutausbrüche, andauernde Gereiztheit, oder Angst oder Depression führen kann. Genauso wernighilft, sich in Emotionen hineinzusteigern, denn so bleibt man stecken. Die Agilität besteht darin, Emotionen zu erkennen, zu benennen, sie als Information wahrzunehmen, und sich bewusst für sein Verhalten zu entscheiden.



Ohne Menschen keine Organisationen.

Menschen nicht ohne Bedürfnisse.


Und insbesondere diese drei, Autonomie, Kompetenz und soziale Eingebundenheit, sind sehr wichtig zu kennen und entsprechend im Betriebssystem der Organisation zu verankern. So können wir Motivation in Organisationen erhöhen.


Für mich sind bedürfnisorientierte Führung und Motivation nicht PowerPoint-Poesie, sondern praktisch im Alltag gestaltbar.


Nicht pushen, sondern ermöglichen.

Nicht motivieren müssen, sondern Demotivation vermeiden.

Nicht Energie vorgeben, sondern Räume schaffen, in denen sie entstehen kann.



 
 
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